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  • Serie "Harry & Meghan"

Eine Liebesgeschichte

Sechs Stunden Harry und Meghan: In einer Doku erzählt das Paar seine Seite vom Bruch mit dem britischen Königshaus

  • Isabella Caldart
  • Lesedauer: 5 Min.
Harrys Mutter sagte einst: "Ich richte mich nicht nach Regeln, weil ich vom Herzen geleitet werde und nicht vom Kopf."
Harrys Mutter sagte einst: "Ich richte mich nicht nach Regeln, weil ich vom Herzen geleitet werde und nicht vom Kopf."

Das Framing liefert Harry gleich zu Beginn: »This is a great love story.« Als große Liebesgeschichte wird die Geschichte von Harry und Meghan, zwei Menschen, die so berühmt sind, dass sie keine Nachnamen mehr brauchen, erzählt. Ihre Motivation für diese Netflix-Doku, die sechs rund einstündige Folgen umfasst, sei gewesen, mit den Lügen aufzuräumen, die im Laufe ihrer Beziehung vor allem in britischen Boulevardmedien verbreitet wurden – und sie sollte die offenen Fragen rund um ihre Entscheidung beantworten, dem Königshaus den Rücken zu kehren und nach Nordamerika zu ziehen.

Auch wenn »Harry & Meghan« als Dokuserie angepriesen wird, ist der dokumentarische Anspruch eher gering, immerhin waren der Duke und die Duchess von Sussex federführend bei der Produktion dabei. Wenig überraschend haben es sämtliche Mitglieder des britischen Königshauses abgelehnt, sich dafür interviewen zu lassen. Deswegen bekommen die Zuschauer*innen ausschließlich die Sicht des ehemals royalen Paares präsentiert. Neben ihrem Bruch mit dem Königshaus (der »Institution«, wie sie es nennen), inszenieren sie sich auch als Aktivist*innen, die sich weltweit für Menschenrechte einsetzen.

Allerdings: Bei all der Reflektiertheit über ihren Status, über Rassismus und Misogynie, stoßen Harry und Meghan, wahrscheinlich ohne es zu merken, an die Grenzen ihrer Perspektiven, die sie als zwei der größten Berühmtheiten der Welt und als Millionäre haben. Berichten zufolge bekamen sie allein von Netflix zwischen 100 und 150 Millionen US-Dollar für die Drehs. Metaphorisch dafür kann das Cottage herhalten, das sie nach ihrer pompösen Hochzeit im Mai 2018 bezogen: Es ist ein einfaches Haus mit niedrigen Decken und relativ wenig Luxus – aber immer noch Teil des Kensington Palace, auf dessen Grundstück es sich befindet. So reflektiert sie sind, so privilegiert sind sie trotzdem. Harry ist ein Prinz qua Geburt, Himmel noch mal!

Wer das Drama um Harry und Meghan versus die Royals im Laufe der Jahre verfolgt hat, wird wenig Neues erfahren, außer vielleicht, dass William Harry bei einem Gipfeltreffen, bei dem es um das Vorhaben des Paares ging, ihren königlichen Titel niederzulegen, angeschrien haben soll, was niemanden verwundern wird.

»Harry & Meghan« ist dennoch in vielerlei Hinsicht interessant, gerade weil die Doku auf all die Schikanen, die gerade Meghan nicht nur durch die Klatschpresse, sondern auch aus dem Königshaus selbst ertragen musste, geballt aufzeigt. Sie halten sich aber damit zurück, schmutzige Wäsche zu waschen. Namen werden kaum genannt, es wird immer nur »die Institution« kritisiert, vor allem dann, wenn wiederholt klargemacht wird, dass durch gezielte Information der Presse die Royals Meghan den Wölfen zum Frass vorwarfen, um von eigenen Verfehlungen abzulenken.

Die Hetzjagd, der vor allem Meghan ausgesetzt war und ist, sei es durch den Boulevard, in den sozialen Medien oder aber durch Intrigen innerhalb des Königshauses, wird immer wieder mit Prinzessin Dianas Kämpfen verglichen. Auch das scheint einer der Gründe für den Bruch zu sein: Harry versucht alles , um das Unrecht, das seiner Mutter widerfuhr, bei seiner Frau wiedergutzumachen.

Diese Hetzjagd ist, das stellt die Doku heraus, vor allem auf Rassismus zurückzuführen. Als sehr »light-skinned« Schwarze nahm sich Meghan Markle, so erzählt sie, in den USA nie wirklich als Schwarze Frau wahr. Das änderte sich erst in Großbritannien – viele der negativen Schlagzeilen gegen sie haben klare rassistische Untertöne. Dabei, auch das wird mehrfach betont, sähe gerade sie den rund 2,5 Milliarden Menschen, die zum Commonwealth gehören und von denen viele nicht weiß sind, viel ähnlicher als die königliche Familie, was zu einer Öffnung, zu einer Modernisierung des Königshauses hätte beitragen können. Und trotz ihrer Kritik haben Harry und Meghan lange Zeit die Ideale der
Royals vertreten.

Am Ende ist »Harry & Meghan« aber vor allem eine Liebesgeschichte. Es ist die Geschichte eines Paares, das beinahe ein Märchen hätte leben können – eine transnationale Vereinigung, ein Prinz, eine Schauspielerin –, das sich zu einem Albtraum entwickelte. Ein Paar, das sämtliche Hürden, den Rassismus, die Misogynie, die Komplotte und Machtspiele und die Drohungen, teilweise sogar Morddrohungen gegen Meghan deswegen gemeistert hat, weil es immer an sich und an die Liebe geglaubt hat. Das ist die Story, die Meghan und Harry letztendlich erzählen wollen.

Das Echo auf »Harry & Meghan« fiel – wenig erstaunlich – sehr gemischt aus. Gerade die britische Presse, allen voran »The Daily Mail«, deren Hetze Harry in der Doku für Meghans Fehlgeburt verantwortlich macht, fand negative Worte. Ebenso äußern sich viele Zuschauer*innen, wenn man entsprechende Hashtags auf Twitter durchscrollt, negativ. Immer noch wird Meghan für den Bruch mit dem Königshaus verantwortlich gemacht.

Dabei lehrt uns diese Serie vor allem eines: Hinter Promis stecken echte Menschen. Der Hass, der nicht nur in Tabloids, sondern auch in sozialen Medien über sie gekippt wird, hat Folgen. Denkt man daran zurück, wie schlimm Amber Heard im Frühling durch den Dreck gezogen wurde, könnte das vielleicht ein Vorsatz für 2023 sein: Weniger Hass, selbst wenn es um Berühmtheiten geht, die unantastbar scheinen.

Verfügbar auf Netflix

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